Rechte Szene zeigt sich im Erzgebirge besonders gewalttätig
Die Beratungsstelle für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt Sachsen stellt der Region ein schlimmes Zeugnis aus. Doch warum kann das die Polizei nicht bestätigen?
Annaberg-Buchholz. Toralf M.* redet Klartext. „Das war ein Mordversuch“, sagt er. Der Annaberg-Buchholzer, der mit dem Fahrrad unterwegs war, sei von einem Auto verfolgt und bewusst gerammt worden. „Der wollte mich überfahren.“ Dass Toralf M. bloß leicht verletzt wurde, bezeichnet er einfach nur als Glück an jenem Tag im Juli 2014, als sich ganz Deutschland in den Armen lag und den vierten WM-Titel feierte.
Für den Angriff macht Toralf M. die rechte Szene der Kreisstadt verantwortlich. Er habe den Fahrer erkannt und wisse daher, welcher Gesinnung er angehört. Das gelte auch für eine weitere Aktion im August des vorien Jahres, als ein Kumpel des Annaberg-Buchholzers auf ähnliche Weise attackiert worden sei. Nur durch einen beherzten Sprung zur Seite sei ihm nichts passiert.
Doch warum weiß von all dem die Polizei nichts? Das habe verschiedene Gründe, sagt Toralf M., der selbst links orientiert ist. Ein solcher Grund sei fehlendes Vertrauen zu den Beamten. So glaubt er etwa, dass sie es mit dem Datenschutz vielleicht nicht ganz so ernst nehmen, in etwaigen Verhören doch mal verraten, wer Anzeige erstattet hat. Dann könnten weitere körperliche Übergriffe drohen, befürchtet Toralf M. Bezogen auf die beiden genannten Fälle sei „im Prinzip ja auch nicht viel passiert und es gibt auch keine Zeugen. Was soll die Polizei da machen. Da kommt sowieso nichts raus“, so der Annaberg-Buchholzer.
Viel lieber vertraut er sich der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt des Vereins Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen – kurz RAA – an. André Löscher von der Beratungsstelle in Chemnitz bestätigt das. „Es gibt viele gerade linksgerichtete Jugendliche, die sich nach rechten Angriffen lieber an uns, statt an die Polizei wenden. Ihnen muss meist erst etwas wirklich Schlimmes widerfahren, ehe sie Anzeige erstatten. Ein Schlag ins Gesicht ist für diese Jugendliche in der Regel kein Grund, die Polizei aufzusuchen“, so Löscher. Dieses Verhalten findet er selbst nicht Ordnung, weil seiner Meinung nach jeder rechtsmotivierte Angriff angezeigt werden muss. Doch man könne die Betroffenen auch nicht zwingen.
Aufgrund der beim Verein RAA Sachsen 2014 eingegangenen Anzeigen zu rechtsmotivierten und rassistischen Angriffen sei der Erzgebirgskreis trotz leichten Rückgangs im Vergleich zu 2013 weiterhin der Flächenlandkreis im Freistaat mit den meisten Gewaltdelikten. Ein Beispiel ist der Angriff auf einen 13-jährigen libyschen Jungen. Dieser wurde von mehreren Jugendlichen am 9. September 2014 in der Kreisstadt attackiert.
Inwieweit die Zahlen des RAA mit denen der Ermittlungsbehörden übereinstimmen, wird sich Ende April zeigen. Dann soll der Verfassungsschutzbericht für 2014 veröffentlicht werden, der neben rechts- auch linksmotivierte Taten aufzeigt, sagt Falk Kämpf vom Landesamt für Verfassungsschutz.*Name geändert